Sonntag, 10. November 2013

Gysi war auch dabei

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gründet einen Gesprächskreis Kultur 


Er kann ja nicht überall sein. Gregor Gysi war natürlich nicht bei dieser Veranstaltung mit dem Titel "Eröffnung des Gesprächskreises Kultur der Rosa-Luxemburg-Stiftung", mit der ein Versuch gemacht werden sollte, dem Thema einen höheren Stellenwert in der Partei "Die Linke" zu verschaffen. Aber seine Äußerung war präsent: Die Kultur gehöre nicht zum Markenkern der Linken. Und zwar solange die soziale Frage nicht geklärt sei. Stirnrunzeln und Zweifel bei den Jüngerinnen und Jüngern. Wie hat er das gemeint? Hat er das gemeint, was er gesagt hat? Haben wir es nicht verstanden? Wollte er ein Zeichen geben? Ehrlich gesagt, das hätten viele andere in jeder anderen Partei auch sagen können. Kultur spielt in allen Parteien in der Regel eher eine Nebenrolle. 

Doch um was sollte es der Linkspartei gehen? Nach Meinung des Musikproduzenten Dieter Dehm vor allem um Großveranstaltungen, auf der die Kultur breit vertreten ist - wie sie die Unità in Italien oder die Humanité in Frankreich mit hunderttausenden Besuchern auf die Beine bringen. Ach ja und die "UZ" der DKP preist Dehm als gutes Beispiel (Originalton DKP-Webseite: "Erfolgreiches Fest führte zu guter Stimmung"). Und die SPD, die soviel Geld habe, dass sie Peter Maffay vor dem Brandenburger Tor singen lassen kann. Ok, es war nicht Peter Maffay, sondern Roland Kaiser und ob sich die SPD das in den nächsten 150 Jahren noch einmal wird leisten können, muss man sehen.

Aber eigentlich ging es ja um mehr, um die Frage: Was ist und was bedeutet eigentlich Kultur für eine linke Partei? Hierzu gab es zwei sehr unterschiedliche Teilveranstaltungen: Am ersten Tag wurde präsentiert, was sie sich unter Kultur vorstellt: möglichst viel und wenig zueinander Passendes und was inhaltlich mit dem Fazit beschrieben werden kann: Künstlerinnen und Künstler sind arm und man muss sich gegen den Kulturabbau wehren. Soweit, so richtig. Aber auch zu kurz gegriffen.

Der zweite Tag - von den Kulturleuten bestimmt - kam dann der Sache näher. Dietrich Mühlberg - sozusagen die personifizierte Kulturwissenschaft - führte zunächst ein in den Kulturbegriff der Linken und begann mit in dessen historischen Entwicklung: vom Aufschauen der jungen Sozialdemokratie zur bürgerlichen Klasse zur Forderung "Kunst dem Volke", vom kulturellen Antrieb für die soziale Frage über die Spaltung der Sozialdemokratie hin zu den Anläufen und zum Scheitern einer Kulturrevolution in der Sowjetunion.

Dietrich Mühlberg warnte in der Bewertung der aktuellen Diskussion davor, Kultur und Kunst gleichzusetzen und beschrieb gleichzeitig eine widersprüchliche Entwicklung. Auf der einen Seite sind es nur etwas über ein Drittel der Bevölkerung, die sich mit Kunst im herkömmlichen Verständnis auseinandersetzten, gerade 3-5% seien im engeren Sinne kulturell unterwegs. Dahingegen kommt die Hälfte der Bevölkerung mit der "Kunst" gar nicht in Berührung. Auf der anderen Seite steige die Zahl derjenigen rasant, die kulturbezogene Berufe ergreifen - nämlich um 4%, das heißt 50.000 Menschen zusätzlich in jedem Jahr. Die Frage wäre zu stellen, ob hier ein neues Proletariat entstehe und damit eine Zielgruppe linker Politik. Im weiteren Verlauf nahm dann Alexandra Manske diese Diskussion auf und setzte sich kritisch mit der These auseinander ob Künstlerinnen und Künstler zur "idealtypischen Sozialfigur im flexiblen Kapitalismus" würden (und damit der Durchsetzung neoliberaler Kapitalstrategien Vorschub leisteten) und stellte Beispiele vor ("Koalition der freien Szene" und "Haben und Brauchen"), die diese These in Frage stellen. Kunstschaffende als Vorboten der Gentrifizierung sind immer wieder Gegenstand von Debatten der Stadtentwicklung, hier ging es aber um die Arbeitsorganisation. Deutlich scheint aber, dass die Bedeutung von Kultur und Kulturproduktion für viele Bereiche der Gesellschaft zunimmt. 

Ein weiteres Thema war die Frage, ob sich Linke mit der Massenkultur auseinandersetzen sollte, die in der Vergangenheit immer wieder von links als manipulativ und damit als schädlich angesehen wurde. Ja meint Kaspar Maase, der seit langem über dieses Thema arbeitet. Es gehe um "mehr und qualitativ bessere populäre Kultur". Schließlich würden die Menschen im Schnitt täglich mehrere Stunden vor dem TV sitzen und man können heute schon eine erhebliche Zunahme von Qualität gegenüber früherer Produktion erkennen. Über Beeinflussung müsse man indes im Bereich der Informationsmedien reden, denn hier erscheine das Mitgeteilte quasi 1 : 1 als die Wirklichkeit. 

Die Veranstaltung war als Einstieg in eine längerfristige Beschäftigung gedacht. Wenn das Projekt Erfolg hat, dann könnte auch Gregor Gysi erkennen, dass Kultur und soziale Wirklichkeit sich ganz nett im Markenkern treffen könnten.


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