Samstag, 23. Juni 2012

dOKUMENTA (13)

Die Produktivität enttäuschter Erwartungen

Eindrücke von der dOKUMENTA (13)

Occupy-Zelt-Imitationen als Kunstersatz

Ist das nicht schrecklich: Der schöne Friedrichsplatz! Keine Kunst, nur Ausstellungscontainer und Ocuppy-Zelte, echte und symbolisch dahin gestellte (Das hatten wir doch schon auf der Berlin-Biennale). Aber nun gehts los ins Fridericianum. In die großen Räume. Und wie Sie sehen - sehen Sie: wieder nichts. Aber hier: eine Vitrine mit einem Brief eines Künstlers an die Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev, kurz CCB, warum er nun doch nicht kommt, geschrieben wie ein Kinderbrief. Doch es gibt noch etwas: Eine Musik-Installation, in der Ceal Floyer mit einem in einer Schleife ständig gesungenen "I’ll just keep on/ till I get it right" eine ziemlich aufregende minimalisitsche Installation gelungen ist. Eindringliche Musik, kann man nicht lange aushalten.
Ok, in den Keller. eine ehemalige Kneipe mit einigen schrägen Wänden. Fragende Blicke einer Besucherin an das Infoschild, was die Künstlerin Renata Lukas uns hier wohl sagen wollte. Aber da steht nicht die Lösung. Diese lautet,  so man einer Führung gefolgt ist: hier sieht man die Ecke einer gedachten Pyramide (eine weitere steht in einem Kaufhaus in der Nähe). Selbsterklärend ist die Dokumenta noch nie gewesen.
Das Fridericianum wartet bei näherer Beschäftigung mit einer Reihe von bemerkenswerten Werken auf, wie zum Beispiel die Foto-Collage von Goshka Macugas mit einer Situation vor den Ruinen des Darul-Aman-Palastes in Kabul  - als Wandteppich gewoben -  eine Arbeit von etlichen, die eine künstlerische Partnerschaft mit der geschundenen afghanischen Hauptstadt dokumentieren.
Doch es sind auch kleine Themen wie die Arbeiten des amerikanischen Künstlers Llyn Foulkes, dreidimensionale Zwischenstationen zwischen Diorama und Malerei und dazu ein Video, das den 78jähirgen Künstler zeitgt. wie er auf einer selbstgebastelten analogen Musikmaschine wunderbarste Stampfmusik produziert. Wunderbar.

Das "Limited Art Project" von Yan Lei

Eine gelungene dokumenta? Allerdings. Die d13 ist gelungen, weil sie sich nicht auf das Erwartete einläßt - und gerade hierdurch übezeugt.. Aber wo muss man hin mit der Einsicht, dass die 29 Dokumenta-Orte sowieso nicht zu schaffen sind?
Ganz bestimmt zum Kulturbahnhof, also dem alten Stadtbahnhof, wo sich d13 links und rechts in die Güterschuppen eingenistet hat. Hier finden sich zum Beispiel eine aufgregende Videoskulptur von William Kentridge oder eine ganze Nähfabrik aus Holz von Istvan Csakany.
Wenn das Wetter mitspielt ist natürlich die Karlsaue gut für einen ganze Kunstwanderung (hier nicht versäumen das "Wursthäuschen" mit angedockter Vogelstimmen-Installation der brasilianischen Künstlerin Anna Maria Maiolino).
Es gibt auch in gewisser Weise "Herkömmliches". So etwa in der Documenta-Halle, aber auch hier keineswegs "gewöhnlich", wie etwa das "Limited Art Project" von Yan Lei, wo alles, was der Massenkulturmensch an bildnerischer Ikonografie so kennt, zu sehen ist, aber im Laufe der documente nach und nach übermalt wird - und damit verwindet.
Man kann nicht alles haben, so auch vieles, was sich (wohl erstmals auf einer documenta) mit der Geschichte der Stadt Kassel und Region auseinandersetzt: Zum Beispiel die Gedenkstätte Kloster Breitenau, die von der Kuratiorin den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Inspiration für ihre Arbeiten angedient wurde: ein Ort, der Kloster, Fürsorge- und Strafanstalt, während der Nazizeit Konzentrationslager und dann die letzte Mädchen-Besserungsanstalt in der Bundesrepublik war, bis es nicht zuletzt auch in Gang gesetzt durch Artikel von Ulrike Meinhof geschlossen und zu einer Gedenkstätte umgestaltet wurde.